"Die Tagebücher von König Ludwig II. von Bayern"
Im Jahre 1918 erschienen erstmals sogenannte Tagebuchaufzeichnungen König Ludwigs II. von Bayern durch den Schriftsteller Oskar Döring. Er war der erste einer Reihe von Autoren, die sich dieser Hinterlassenschaften Ludwigs über Jahrzehnte annahm. 1924 folgte ihm auf diesem Gebiet Georg Ludwig Schauenberg mit seinem Werk das den poetischen Namen "Im Banne der Rosen. König Ludwig II. in Tagebuchblättern" trägt. Ein gewisser "Edir Grein" veröffentlichte dann 1925 ebenfalls Aufzeichnungen Ludwigs II. mit dem Titel "Tagebuch=Aufzeichnungen von Ludwig II. König von Bayern". Und schließlich kam im Jahre des 100. Todestages des Königs, 1986, sogar "Das geheime Tagebuch König Ludwigs II. von Bayern" auf den Markt. Es ist eine deutliche Steigerung dieses Themas. Man begnügte sich offenbar nicht mehr mit bloßen Tagebuchaufzeichnungen, jetzt musste es sogar herausragen, man könnte sagen, alles vorhergehende überstrahlen.
Nun, was hat es denn eigentlich mit all diesen Tagebüchern Ludwigs II. auf sich? Der renommierte und bekannte Ludwig-II.-Biograf und Autor zahlreicher Bücher über König Ludwig II. von Bayern, Alfons Schweiggert, stimmt in seinem Buch "Ludwig II. - Ein König zwischen Gerücht und Wahrheit" aus dem Jahre 2011 mit der Anschauung des Schriftstellers Franz Merta, ein ebenso ausgesprochener Ludwig-II.-Kenner und Forscher überein, dass diese Veröffentlichungen allesamt "fingiert", also erdichtet wurden, wenn auch Merta feststellt, "dass diese publizierten Texte, zweifellos auf echten Vorlagen beruhen."*1 Merta widmete ein ganzes Kapitel in der "Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte" in Band 53 aus dem Jahre 1990, dass sich genau mit diesem umfangreichen Material beschäftigt.
Wollen wir nun an dieser Stelle Oskar Dörings Buch "Das Tagebuch König Ludwigs II." etwas genauer betrachten. Es ist zweifellos ein wie oben bereits erwähnt "erdichtetes" Tagebuch. Vor der ersten Tagebucheintragung des Königs vom 10. März 1880 in Schloss Linderhof steht der alles bezeichnende Satz, "In Verehrung für ihn geschrieben, Seinem Gedächtnis geweiht!"*2 Der Begriff "Gedächtnis" erhält an dieser Stelle gleich eine zweifache Bedeutung. Zum einen sollen diese Aufzeichnungen dem besonderen Andenken König Ludwigs II. von Bayern gelten und zum anderen, soll der Eindruck erweckt werden, als hätte sie Ludwig II. tatsächlich nach seinen Erinnerungen - seinem Gedächtnis nach - niedergeschrieben. Dies dürfte im Grunde ausreichen und keiner weiteren Erläuterung bedürfen, denn hiermit ist eigentlich alles ausgesagt. Da wir jedoch in unserer Edition "Königliche Weihrauchmischungen" einige Zitate Ludwigs aus diesem Werke entleihen, soll doch eine kurze Erklärung folgen, aus welchem Grunde wir diese Dichtung zu Rate ziehen und Verwendung finden lassen. Döring scheint aus Schriften die über König Ludwig II. veröffentlicht wurden und aus wahren Begebenheiten bestehen, sich in Ludwig hineinversetzt und dann auf dieser Grundlage diese Eintragungen in Tagebuchform aus der Sichtweise und als "König Ludwig II. von Bayern" niedergeschrieben zu haben. Da unserer Meinung nach diese Texte originell und somit fast wie authentisch verfasst wirken, könnten diese Aufzeichnungen von Ludwig II. persönlich stammen. Sie geben somit einen recht passenden Eindruck beispielsweise über seine Persönlichkeit wieder. Ludwig beschreibt zum Beispiel in verschiedenen Passagen seine von ihm geschaffenen Bauwerke und die Eindrücke die sie auf ihn machten. Es scheint als wolle oder solle dieses Tagebuch unter anderem eine Art Rechtfertigung dieser baulichen Tätigkeiten und anderer Themen Ludwigs II. zu sein. Zweifelhaft ist es jedoch, ob der König dies wirklich nötig hatte, beziehungsweise für sich selbst und somit vollkommen nur für ihn ganz alleine nötig erachtete, dies alles in Tagebuchform niederzuschreiben und auf diese Weise an die Nachwelt weiterzugeben. Dies bestätigt Gottfried von Böhm in seiner Biografie, welche zu einer der ersten umfangreichen über König Ludwig II. überhaupt zählt, indem er folgendes über die Tagebuchaufzeichnungen Oskar Dörings schreibt: "Der letzte der Schriftsteller, welche Lebensbilder Ludwigs II. aus ihrer Phantasie schöpften, Oscar Döring, hat ... dem seinen die Form eines Tagebuches gegeben, das freilich Ludwig II. nur schildert, wie Oscar Döring sich ihn dachte, nicht wie er war."*3
Somit bleibt uns abschließend festzuhalten, dass sämtliche in der Edition "Königliche Weihrauchmischungen" wiedergegebenen Zitate, aus den oben erwähnten Tagebuchaufzeichnungen, nicht als tatsächliche Eintragungen aus Ludwigs Feder zu verstehen, sondern von uns lediglich ... "In Verehrung für ihn geschrieben, Seinem Gedächtnis geweiht!" ... und in seinem Sinne verwendet und ausschließlich so aufzufassen sind!
Über den Autor "Edir Grein" sei noch zu erwähnen, dass er wohl der Stiefsohn des Ministerratsvorsitzenden Johann Freiherrn von Lutz war und mit richtigem Namen "Erwin Riedinger" hieß. Dieser Lutz, der unter der Regentschaft Ludwig II. beruflich seinen Höhepunkt erreichte und sogar mit dem Adelstitel eines Barons ausgezeichnet wurde - was eine ausgesprochene Ehrung bedeutete und nur durch besondere Verdienste vom König verliehen wurde - war auch jener Ministerratsvorsitzende, der maßgeblich nach Prinz Luitpold und dessen Sohn Prinz Ludwig, an der äußerst und zu Recht umstrittenen Entmündigung und Absetzung König Ludwigs II. im Jahre 1886 beteiligt war. Dass Riedinger zur Veröffentlichung seiner Tagebuchausgabe nicht seinen eigenen Namen, sondern ein Pseudonym verwendete, dürfte nach Lage der Sachkenntnis Bände sprechen ....
Die Tagebuchaufzeichnungen in unserer Edition "Königliche Weihrauchmischungen":
Döring, Oskar: Das Tagebuch König Ludwigs II.. München - Leipzig, 1921
Grein, Edir: TAGEBUCH=AUFZEICHNUNGEN VON LUDWIG II. KÖNIG VON BAYERN. Schaan/Liechtenstein, 1925
Quellen:
*1 Merta, Franz: DIE TAGEBÜCHER KÖNIG LUDWIGS II. VON BAYERN - Überlieferung, Eigenart und Verfälschung. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte (ZBLG) Band 53. München, 1990 Seite 391
*2 Döring, Oskar: Das Tagebuch König Ludwigs II.. München - Leipzig, 1921 Seite 3
*3 Böhm, Gottfried von: Ludwig II. König von Bayern - Sein Leben und seine Zeit. 2. Auflage. Berlin, 1924 Seite 769
Siehe auch: Schweiggert, Alfons: Ludwig II. - Ein König zwischen Gerücht und Wahrheit. München, 2011 Seite 38-40
Siehe ebenso unser "Quellenverzeichnis" mit der Übersicht aller Bücher der von uns verwendeten und empfohlenen "Ludwig II." Literatur.